Die Polizei hat ein allgemeines Demonstrations-verbot um den Sicherheitszaun während des G8-Gipfels
verhängt, angeblich um Gewalttätigkeiten und Blockaden zu verhindern,
aber auch um die "internationalen deutschen Interessen" zu schützen.
Ziehen bei uns russische Verhältnisse ein?
Zufall oder freier Wille?
Matthias Gräbner 17.05.2007
Biologen zeigen: Es gibt doch einen freien Willen. Jedenfalls bei Taufliegen
Drosophila melanogaster, die schwarzbäuchige Taufliege,
hat es nicht leicht, seit sie Anfang des 20. Jahrhunderts für die
Wissenschaft entdeckt wurde. Sie muss sich mit harter Röntgenstrahlung
beschießen lassen, muss mit ihren eigenen Geschwistern Nachkommen
zeugen und wird in jede mögliche Richtung mutiert. Selbst Aquarianern
(respektive deren Haustieren) dient sie als willkommenes Lebendfutter.
Aber eines hat sie sich dabei offensichtlich trotzdem bewahrt: ihre
Spontaneität und ihren freien Willen.
Diese Eigenschaften, die man manchen Menschen nicht zugestehen möchte,
weist ein Forscherteam um den Berliner Biologen Björn Brembs an dem
Modellorganismus der Genetiker nach. Die umfangreiche Arbeit ist jetzt
in der Public Library of Science (PLoS) veröffentlicht worden.
Ob es so etwas wie einen freien Willen überhaupt gibt, beschäftigt
Philosophen, Neurowissenschaftler und Vertreter anderer
Wissenschaftszweige seit Jahrhunderten. Geraume Zeit war man der
Meinung, irgendwann jede Reaktion eines Lebewesens deterministisch
vorhersagen zu können. Wie bei einem Roboter sollte auf einen
bestimmten Stimulus eine festgelegte Reaktion erfolgen.
Uns Menschen, so die Theorie, wiegt anschließend das Gehirn in der
Illusion, dass unsere Reaktion auf einer freien Entscheidung beruhte.
Tatsächlich ließ sich im Experiment zeigen, dass Entscheidungen bereits
gefallen sind, wenn sie uns bewusst werden. Dass wir doch so etwas wie
einen freien Willen besitzen, diese Hoffnung nähren nun Forschungen
ausgerechnet an Taufliegen. Die Definition des "freien Willens" klingt
in ihrer naturwissenschaftlichen Deutung allerdings etwas ernüchternd:
Er wird hier gleichgesetzt mit der Existenz eines endogenen,
verhaltensauslösenden Mechanismus. Bewusstsein ist dafür keine nötige
Ingredienz.
Mit dem Kopf an ein Drehmoment-Messgerät geklebt
Dieser aus dem Inneren kommende Mechanismus steht (als theoretische
Annahme) in direkter Konkurrenz zum Zufallsprinzip, zur reinen
Stochastik, wenn es um die Erklärung von Verhaltens-Variabilität geht.
Es ist ja eben nicht so, dass ein vor dem Fuchs fliehender Hase stets
nach am ersten Baum nach links hoppelt. Manchmal springt er auch nach
rechts - anderenfalls hätte der Fuchs auch längst gelernt, eine
Abkürzung zu nehmen.
Dem Taufliegen-Forscherteam ging es nun um die Frage, was die Quelle
dieser Variabilität im Verhalten ist. Das Überleben des Hasen wäre auch
gesichert, wenn seine Entscheidung für links oder rechts aus reinem
Zufall resultierte. Allerdings hat der Zufall die Eigenschaft, immer
kleiner zu werden, je genauer man hinsieht. Mit verbesserter
Messmethodik kann man Rauschen und Signal immer besser trennen - am
Ende kommt man dem Determinismus immer näher.
Das wäre nicht der Fall,
wenn ein endogener, nichtlinearer Prozess die Entscheidungen bestimmte.
Und genau solch einen Prozess wollen Björn Brembs und Kollegen an
Taufliegen bemerkt haben. Dazu klebten sie die wenige Millimeter großen
Insekten (ob sie sich aus freiem Willen an der Untersuchung beteiligt
haben, berichten die Studienautoren nicht) mit dem oberen Teil des
Kopfes an ein Drehmoment-Messgerät. Rings um die Testkandidaten bauten
sie eine Art Rundkino auf, eine kleine Arena, deren Wände sie mit
unterschiedlichen visuellen Reizen beleuchteteten.
Die Taufliegen teilten sie in drei Gruppen auf: Die eine bewegte sich
in einer völlig reizlosen Umgebung, die zweite bekam einen einzelnen
schwarzen Streifen angezeigt. Diese zweite Gruppe konnte über ihre
Kiefer die Winkelposition des schwarzen Streifens steuern. Eine dritte
Testgruppe flog vor einem einheitlich texturierten Hintergrund, der
sich nicht winkelabhängig änderte.
In allen drei Gruppen zeigte das Flugverhalten der Drosophila deutliche
Abweichungen vom reinen Zufallsprozess. Am stärksten waren die
Unterschiede bei Gruppe 2, doch selbst die Flugbewegungen von Gruppe 1
(ohne visuelle Reize) wichen deutlich von der Zufallsverteilung ab.
Tatsächlich zeigte sich bei genauerer Untersuchung eine fraktalartige
Ordnung, wie man sie etwa aus Suchprozessen bei anderen Tierarten
kennt. Fraktalartige Suchprozesse haben sich als effizient zum
Auffinden rarer Ressourcen erwiesen.
Zeigen können Brembs und Kollegen auch, dass das Verhalten der Fliegen
mindestens teilweise von nichtlinearen Prozessen in in ihrem Gehirn
bestimmt wird - und eben nicht vom reinen Zufall. Das könnte sich als
evolutionärer Vorteil erwiesen haben, weil die exakte Vorhersage des
Verhaltens des Gegners damit auch bei noch so genauer Beobachtung
unmöglich ist. Inwiefern das mit unserem Konzept des freien Willens in
Übereinstimmung zu bringen ist, müssen die Philosophen klären.