Flugprotokolle lassen eine klare Struktur erkennen: Drosophila melanogaster
Dienstag, 15. Mai 2007
Der Wille der Fruchtfliegen Eigensinnig und spontan
Selbst ein scheinbar so einfaches Lebewesen wie die Fruchtfliege
verfügt Hamburger Forschern zufolge über eine gehörige Portion freien
Willen. Die Fliegen seien in der Lage, spontane Entscheidungen zu
treffen, denen kein einfacher Ursache-Wirkungs-Mechanismus zu Grunde
liege, schreiben die Forscher im Fachblatt "PLoS ONE". "Selbst
Fliegen-Gehirne sind mehr als reine Input-Output-Systeme."
Die Forscher um den Computerwissenschaftler Alexander
Maye von der Universität Hamburg hatten die winzigen Fliegen in weißen
Boxen an dünnen Fäden aufgehängt - sie konnten so nicht von äußeren
Faktoren beeinflusst werden. Die Flugmanöver von insgesamt etwa 40
Tieren - nach rechts, nach links, im Kreis - wurden jeweils eine halbe
Stunde lang aufgezeichnet und mit einem ausgeklügelten Rechenprogramm
analysiert. Das Ergebnis: Statt der erwarteten zufälligen Verteilung
ließen die "Flugprotokolle" eine klare Struktur erkennen. Das Gehirn
der Fliegen müsse also eine Funktion beinhalten, die es ihnen
ermögliche, spontan und ohne äußere Ursache ihren Flug zu variieren,
schreiben die Forscher.
Zur Prüfung ließen die Wissenschaftler in immer
komplexeren Computer-Modellen mögliche Zufalls-Flugbahnen berechnen -
kamen aber nie auf ein Ergebnis, das der Realität ähnelte. Sie wiesen
damit erstmals nach, dass Abweichungen im Verhalten von Drosophila
melanogaster nicht zufällig sein können, sondern auf spontane
Entscheidungen zurück gehen müssen. "Ich hätte niemals vermutet, dass
einfache Fliegen, die in anderen Situationen immer wieder gegen das
selbe Fenster knallen, die Fähigkeit zu nicht zufälliger Spontaneität
besitzen", schreibt Maye in dem Magazin.
Zuvor seien abweichende Reaktionen von Wissenschaftlern
meist als statistische Zufallsfehler interpretiert worden. "Tiere und
vor allem Insekten werden für gewöhnlich als komplexe Roboter
angesehen, die lediglich auf äußere Reize reagieren", zitiert "PLoS"
den Mitautor Björn Brembs von der Freien Universität Berlin. Der nun
entdeckte Mechanismus sei wahrscheinlich auch bei anderen Tieren zu
finden und könne die Basis dessen sein, was die Menschheit allgemein
als "freien Willen" bezeichne, heißt es in dem Bericht weiter.
Nun müssten die genetischen Grundlagen der spontanen
Entscheidungen ergründet werden, schreiben die Forscher. Diese könnten
möglicherweise zur Entwicklung von Robotern führen, die sich eigenen
spontanen Ideen folgend verhalten. Zudem lasse sich so vielleicht mehr
über die Ursachen von Krankheiten wie Depressionen oder Schizophrenie
heraus finden.
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