Wer
etwas unterbelichtete Zeitgenossen gern als "Fliegengehirn" tituliert,
wird sich ein neues Schimpfwort einfallen lassen müssen: Denn Forscher
haben herausgefunden, dass Fruchtfliegen längst nicht so doof sind wie
gedacht. Im Gegenteil: Sie verfügen über eine gehörige Portion freien
Willens! Ihre einfach strukturierten Gehirne können so spontane
Entscheidungen treffen.
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Eine Fruchtfliege, von Biologen "Drosophila melanogaster" genannt |
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"Eigentlich gelten Tiere, vor allem Insekten, in der Wissenschaft als
komplexe Roboter, die mit ihrem Verhalten nur auf Umweltreize
reagieren", sagt Björn Brembs von der Freien Universität Berlin. "Wenn
Forscher beobachten, dass Tiere auf die gleichen Umweltreize
unterschiedlich reagieren, wird einfach angenommen, dass das ein
zufälliger Fehler ist". Die Wissenschaftler werden ihre Annahme wohl
revidieren müssen: Denn der Berliner Neurobiologe hat zusammen mit
einem Hamburger Kollegen gezeigt, dass sogar einfach strukturierte
Fliegengehirne mehr sind als ein reines "Input-Output-System".Die Idee: Auswertung von FlugroutenDazu
beobachteten die Forscher zunächst per automatisierter
Verhaltensmessung die Flugrouten von 40 Fruchtfliegen: Sie fixierten
die winzigen Tiere dazu mit kleinen Häkchen an einem sehr empfindlichen
Messgerät. Damit die Versuchstiere nicht von äußeren Faktoren
beeinflusst werden konnten, herrschte um sie herum immer eine
einförmige, weiße Beleuchtung. Das Messgerät zeichnete dann jeweils
eine halbe Stunde lang die Flugversuche der fixierten Tierchen auf –
egal, ob sie sich nach rechts, links, oder im Kreis bewegten. Bei der
anschließenden Analyse der "Flugprotokolle" mit einem ausgeklügelten
Rechenprogramm erlebten die Forscher eine Überraschung. Das Ergebnis: Entscheidung statt Zufall
Web-Tipp |
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Fasziniert? Hintergründe, Bilder und ein Video des Fliegen-Versuchs gibt es auf Björn Brembs' Website:
http://brembs.net/...
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Statt der erwarteten zufälligen Verteilung ließen die Routen der
Tierchen eine klare Struktur erkennen. Haben die Fliegen also spontan
und ohne äußere Ursache ihren Flug variiert? Um das zu klären, ließen
die Wissenschaftler in immer komplexeren Computer-Modellen mögliche
Zufalls-Flugbahnen berechnen. Doch mit keiner davon kamen sie auf ein
Ergebnis, das dem zuvor beobachteten Verhalten der Fliegen ähnelte.
Somit wies das Team erstmals nach, dass Abweichungen im Verhalten von
Fruchtfliegen nicht zufällig sein können, sondern auf spontane
Entscheidungen zurückgehen müssen.
Ist das die Entdeckung des freien Willens?
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In ihrem Hirn entsteht spontanes Verhalten. |
Offenbar besitzen Fliegen eine im Laufe der Evolution entstandene
Gehirnfunktion, um ihr Verhalten immer wieder spontan abzuwandeln. Die
Forscher glauben, dass dieser Mechanismus auch bei anderen Tieren zu
finden ist und sogar die Basis des freien Willens sein könnte. Jetzt
müssen sie aber erstmal den Ort im Fliegenhirn finden und verstehen, an
dem Entscheidungen entstehen. Die Ergebnisse dieser Studien
könnten dann zur Entwicklung von Robotern führen, die spontan eigenen
Ideen folgen.Bleibt
also erstmal die Erkenntnis: Auch wenn Fliegen im echten Leben immer
wieder summend gegen dasselbe Fenster knallen – zumindest im
Forschungslabor sind sie zu spontanen Entscheidungen fähig!
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