Fruchtfliegen können spontane Entscheidungen treffen
Bislang hat man Insekten als komplexe "Roboter" gesehen, die auf Reize reagieren
© dpa
Fruchtfliegen sind in der Lage, spontane Entscheidungen zu treffen, denen kein einfacher Ursache-Wirkung-Mechanismus zu Grunde liegt, haben Hamburger Forscher herausgefunden. "Selbst Fliegen-Gehirne sind mehr als reine Input-Output-Systeme." Die Forscher hatten die winzigen Fliegen in weißen Boxen an dünnen Fäden aufgehängt - sie konnten so nicht von äußeren Faktoren beeinflusst werden. Die Flugmanöver von insgesamt 40 Tieren wurden jeweils eine halbe Stunde lang aufgezeichnet.
Die Aufzeichnungen wurden dannmit einem ausgeklügelten Rechenprogramm analysiert. Statt der erwarteten zufälligen Verteilung ließen die "Flugprotokolle" eine klare Struktur erkennen. Das Gehirn der Fliegen muss also eine Funktion beinhalten, die es ihnen ermöglicht, spontan und ohne äußere Ursache ihren Flug zu variieren. Zur Prüfung ließen die Wissenschaftler in immer komplexeren Computer-Modellen mögliche Zufalls-Flugbahnen berechnen - kamen aber nie auf ein Ergebnis, das der Realität ähnelte.
Sie konnten damit erstmals nachweisen, dass Abweichungen im Verhalten von Drosophila melanogaster nicht zufällig sein können, sondern auf spontane Entscheidungen zurück gehen. "Ich hätte niemals vermutet, dass einfache Fliegen, die in anderen Situationen immer wieder gegen das selbe Fenster knallen, die Fähigkeit zu nicht zufälliger Spontanität besitzen", schreiben die Forscher.
Zuvor sind abweichende Reaktionen von Wissenschaftlern meist als statistische Zufallsfehler interpretiert worden. "Tiere und vor allem Insekten werden für gewöhnlich als komplexe Roboter angesehen, die lediglich auf äußere Reize reagieren", so Björn Brembsvon der Freien Universität Berlin. Der nun entdeckte Mechanismus ist wahrscheinlich auch bei anderen Tieren zu finden und kann die Basis dessen sein, was die Menschheit allgemein als "freien Willen" bezeichne, heißt es weiter.
Nun müssten die genetischen Grundlagen der spontanen Entscheidungen ergründet werden, schreiben die Forscher. Diese könnten möglicherweise zur Entwicklung von Robotern führen, die sich eigenen spontanen Ideen folgend verhalten. Zudem lasse sich so vielleicht mehr über die Ursachen von Krankheiten wie Depressionen oder Schizophrenie heraus finden.

"Order in Spontaneous Behavior" bei plosone.org


Tierisch klug: Emotionen und Verstand bei Tieren

Die Fraßmuster gaben dem "Buchdrucker" seinen Namen
Eine Roboterkakerlake lockt "Artgenossen" ans Licht
Bei Hummeln halten Spezialistinnen das Nest warm
Landwirtschaft vertreibt zahlreiche nützliche Insekten
Bestand des Hitlerkäfers wegen des Namens bedroht
Vom Aussterben bedrohte Hornissen zu Unrecht verfolgt
Geruch der Pflanzen verrät den Raupen die Tageszeit
Insekten arbeiten in den USA für 57 Milliarden Dollar
Experten beklagen Rückgang der Schmetterlingsvielfalt

16.05.2007 / dpa / db
zurück Seitenanfang Druckversion Artikel versenden 3sat / nano [E-Mail]